ES TUT MIR LEID!!! Nachdem ich um die zwanzigtausend ( …mindestens!!!!) Beschwerde-Mails bekommen habe, weil ich mich jetzt fast einen Monat nicht gemeldet habe, habe ich mir ein Herz gefasst und die Zeit, um etwas zu schreiben, damit meine Leserschaft in Deutschland wieder happy ist. Man muss seine Fans ja gut behandeln…also meine Freunde/Fans, hier ist mein Oktober:
Das ich bisher nichts geschrieben habe lag nicht daran, dass ich nicht wusste worüber, weil nichts passiert ist…OH NEIN!! Das kann man so jetzt nicht unbedingt sagen. Es ist so viel passiert, dass ich einfach keine Zeit hatte etwas zu schreiben und wenn ich sie hatte, bin ich nur noch tot ins Bett gefallen, denn der Oktober war der bisher ereignisreichste und anstrengendste Monat hier – und bei weitem auch der Beste!! Da aber so viel passiert ist und ihr heute sicher noch andere Sachen vorhabt, lasse ich einiges aus, ich muss ja auch noch was zu erzählen haben, wenn ich wieder komme.
1. Foro SocialDas größte Ereignis in diesem Monat war das „Foro Sozial“, eine groß angelegte Aktion mit Konzerten, Informationsveranstaltungen, Spielen und einem großen Protestmarsch. An dieser Aktion beteiligten sich viele sozial Organisationen Medellins um gegen die
Privatisierung des Wassers zu Demonstrieren. Das RED war einer der Hauptorganisatoren und dementsprechend nahm ich an fast jeder Aktion teil.
Bei der ersten Aktion des Foros sind wir mit einem Bus in verschiedene Barrios (Stadtteile) gefahren und haben die Menschen dort über das Foro aufgeklärt und für die verschiedenen Aktionen der kommenden Woche Werbung gemacht. Es war sehr interessant für mich, da ich an diesem Tag viele Barrios kennen gelernt habe, die ich vorher noch nicht kannte und da es die Barrios mit den größten sozialen Problemen waren, habe ich auch Armut gesehen, die ich so vorher noch nicht gesehen hatte.
Eine andere Aktion fand im
Peñol statt. Der Peñol ist ein Gebiet in Antioquia, drei Stunden von Medellin entfernt. Dort fand eine große Informationsaktion mit mehr als 1500 Teilnehmern statt. Ich hatte die Aufgabe mich um die Kinder dieser
1500 Teilnehmer zu kümmern. Nichts leichter als das! Zusammen mit Sandra trommelten wir also alle Kinder zusammen um mit ihnen Spiele zu spielen. Plötzlich sagte Sandra zu mir, sie müsse mal kurz weg und ging. Ich war allein mit ungefähr 40 Kindern. Aber die Zeit in der ich alleine auf mich gestellt war, konnte ich super mit dem Thema „Was wollt ihr für Wörter auf Deutsch wissen“ füllen. Nach einiger Zeit wollten meine Schützlinge aber nur noch Schimpfwörter übersetzt haben, wogegen ich mich aber, zur Enttäuschung der Kinder, weigerte. Später am Tag habe ich mich dann mit einer kleinen Gruppe von der Aktion weggeschlichen und wir sind angeln gegangen. Angeln ist eigentlich überhaupt nicht mein Sport, aber die Landschaft im Peñol ist einfach atemberaubend und ich habe meine Kamera zum glühen gebracht, so viele Fotos habe ich geschossen. Ich wurde auch von einem der Fischer in seinem kleinen Boot (oder auch Nussschale) mitgenommen. Es war wunderschön.
Weitere Aktionen des Foros waren zum Beispiel Proteste vor Kliniken mit einer kleinen
Theateraufführung, für ein neues
Gehalt. Denn mit dem Saldo (Gehalt) den es hier gibt lässt sich kaum die Miete, das Wasser, das Licht und das Essen bezahlen, geschweige denn eine gute ärztliche Versorgung. An einem anderen Tag sind wir in zwei Barrios gefahren und haben dort mit Jugendlichen Spiele gespielt und sie so über
Militarismus, Gewalt, die Aufgabe von Jugendorganisationen und die Situation der Frau aufgeklärt. Ich habe einfach als normaler Teilnehmer teilgenommen und habe so sehr viel über die Probleme Kolumbiens gelernt. An diesem Tag wurde mir sehr deutlich wie Unterschiedlich Kolumbien und Deutschland doch sind. Besonders die Situation der Frau ist hier noch sehr traditionell und die Emanzipation bei weitem nicht so verbreitet wie in Deutschland. Die Aktion endete dann in einem
Konzert mit Punk, SKA und Hip Hop.
Am letzten Tag des Foros fand ein großer
Protestmarsch statt, der durch sehr arme Barrios ging. Probleme mit der Polizei gab es nicht, auch wenn mich die Chefin vom RED mich nicht von ihrer Seite weichen lassen wollte, falls was passierte. Auch Flyer sollte ich nur verteilen, wenn ich sicher war, dass es kein Polizist sehen würde, damit ich immer noch sagen konnte, dass ich nur Tourist sei und mit der Aktion an sich nichts zu tun hätte. Es war mein erster großer Protestmarsch und ich war beeindruckt von den vielen Menschen die mitmachten, doch viele REDler sagten mir, dass sie viel mehr Menschen erwartet hätten.
2. Alta VozAlta Voz ist ein großes
Musik-Festival in Medellin, wofür die Menschen aus dem ganzen Land angereist kamen. Samstags stand
Metal und
Punk auf dem Programm, eigentlich nicht so meine Musik, aber ich bin trotzdem hingegangen, wollt mal sehen, was die Kolumbianer unter einem „großen“ Festival verstehen. Als ich und Alex (der Freund meiner Mitbewohnerin und jetzt auch ein Freund von mir) um 11Uhr morgens ankamen, sah ich die längste Menschenschlange meines Lebens. Wirklich, dagegen ist jede Warteschlange im Fantasia-Land in dem Ferien, bei super Wetter und vor der neuen, super geilen Attraktion eine flüchtige Erholungspause. Ohne zu übertreiben (dieses Mal tu ichs wirklich nicht), schlängelte sich diese Wurst aus Menschenmassen ca 800m die ganze Hauptstraße entlang. Wer sich da hinten anstellte konnte sich schon auf ALTA VOZ
2010 freuen, denn vorher kam er nicht rein. Alex und ich waren intelligenter und stellten uns „aktiv“ 5m vor der Kasse an, indem wir einfach so taten als würden wir Leute in der Schlange kennen und nach 5 Minuten waren wir drin….das haben ich an diesem Tag insgesamt drei Mal gemacht, weil ich immer wieder kurz raus bin um mich mit wem zu treffen oder um mir ein „normales“ Getränk zukaufen. Am Eingang wurde man dann drei Mal abgetastet, die Taschen wurden durchsucht (auch drei Mal) und ein Hund hat einen nach Drogen abgeschnüffelt.
Das Konzert war wirklich gut und die Stimmung klasse…auch die Sonne ließ es sich nicht nehmen am Konzert teil zu nehmen und die Wasserverkäufer machten das Geschäft ihres Lebens mit den 20.000 dehydrierenden Metal-Fans.
Die Bands kamen aus der
ganzen Welt. Lustiger Weise war der Headliner eine Metal-Band aus Deutschland: „
Kreator“ – ich weiß nicht wies euch geht, aber ich kannte die nicht. Während einer kleinen Umbaupause auf der Bühne, tippte mich auf einmal jemand von hinten an: „Ähm Entschuldigung, kann ich ein
Foto mit dir machen?“ (das natürlich auf Spanisch) …………..HALLO???!!! Wer bin ich?? Johnny Depp? Vin Diesel(vom Körper, vieeelleicht)? Zack Braff oder Jessica Alba?? – zuerst war ich etwas sprachlos, aber dann hab ich den Mädchen gerne erlaubt ihr Foto mit mir, dem schönen
Mono (die Bezeichnung hier für Menschen mit blonden Haaren und blauen Augen) zu machen. Das ist mir bisher schon drei Mal passiert…ich weiß nicht recht ob mir das gefallen soll oder ob ich mich wie ein Tier im Zoo fühlen soll….ach was sollst:
MIR GEFÄLLTS!Vor Selbstbewusstsein strotzend stürzte ich mich also in die Pogo, die wirklich klasse und rieeesen groß war und etwas heftiger als das was ich aus Deutschland gewohnt war. Und dann beim letzten Lied vom gesamten Konzert (um 00.00Uhr – ich war also 13 Stunden auf dem Konzert und dem entsprechend KO), bekam ich in der Pogo einen Ellenbogen voll ins Gesicht geknallte und ich sah Sternchen. Zwei Tage später war meine Nase komplett blau und hatte einen kleinen Hubel (nein, es gibt davon keine Fotos!!!) – die Farbe meiner
Nase ist wieder normal, aber der Hubel ist noch da. „Eine Erinnerung an Kolumbien“ – wie Alex sagte.
3. FREIZEITIm Oktober hatte ich mein erstes kleines Tief, in dem ich etwas schlecht drauf war. Das lang vor allem an mangelnden Aktivitäten in der Freizeit. Es ist schwer und echt komisch, wenn man sich komplett aus seinem
Freundeskreis rausreißt und plötzlich, weit weg von allem was man kennt, ohne wirkliche Freunde dasteht. Also kam es vor, dass ich Samstagsabends alleine zu Hause saß und einen Film geguckt habe – das ist echt deprimierend, da es das komplette Kontrastprogramm ist, was ich aus Deutschland gewohnt bin. So konnte das nicht weitergehen!!! Also bin ich auf: Freunde suchen….aber nicht im Internet, bei Facebook oder so, nein ich war einfach kackendreist und habe sämtliche Leute angerufen, die ich kannte. Ich musste dafür zwar etwas meinen Stolz überwinden, aber so hatte ich jeden Abend etwas zu tun, denn irgendjemand hatte immer Zeit. Jetzt hat es sich langsam so entwickelt, dass ich wieder meinen alten, geliebten Freizeitstress habe und viele Einladungen absagen muss, da ich schon was anderes vor habe. Mit diesen Freizeitaktivitäten fühle ich mich hier mehr zu Hause, da es für mich sehr wichtig ist, Freunde zu haben und ich mir so langsam aber sicher einen guten Freundeskreis aufbaue und mein Spanisch wird schneller besser, weil ich 24Stunden von spanisch sprechenden Menschen umgeben bin. Ich
lebe hier langsam aber sicher!
4. Prof. SaschaIch will übrigens, dass mich ab jetzt alle mit „Herr Klein“ ansprechen und aufstehen wenn ich den Raum betrete. Nein, ich bin kein Richter, sondern ich bin jetzt Lehrer. Ich unterrichte
Englisch und
Deutsch für ein paar Interessierte im RED. Wusstet ihr, dass Deutsch die unlogischste Grammatik
EVA hat? Und das soll ich jetzt Kolumbianern beibringen – auf Spanisch. Gute Nacht Marie!! Aber mit dieser Aufgabe fühle ich mich um einiges besser, denn bisher konnte ich mich zwar gelegentlich hilfreich in der Arbeit vom RED einbringen, aber mir war immer klar, dass die auch gut ohne mich klar kämen. Aber jetzt habe ich eine Aufgabe, die nur ich erledigen kann und kein anderer vom RED, und das ist ein sehr gutes Gefühl. Deswegen nehme ich das sehr ernst und bereite mich auf jede Stunde vor.
5. Meine heutiger TagHeute hatte ich eine
9Stunden Besprechung im RED, bei der wir wieder über die Formulierungen in dem Dokument gesprochen und diskutiert haben, wie sich das RED definiert und welche Rechte und Pflichten die Einzelnen Gruppen im RED haben. Ich konnte mich überhaupt nicht beteiligen und nach sechs Stunden schaltete mein Gehirn langsam aber sicher ab und meine Gedanken schweiften immer schneller und unkontrollierbar weit weg – und morgen das Selbe noch mal! Nach dieser Tortur bin ich mit
Anna ein Bier trinken gegangen. Anna ist eine Freiwillige aus Belgien, die zum zweiten Mal beim RED ist. Anna ist 30 Jahre alt, spricht Spanisch, Italienisch, Französisch, Englisch und die wichtigste Sprache von allen: Holländisch – auf diese Sprachenkenntnisse bin ich ehrlich gesagt ziemlich neidisch! Jetzt sitze ich in meinem Bett und bin total K.O. und freu mich, dass ich jetzt schlafen gehen kann, denn das wars! Fertig!
Listo!
Ich muss zugeben, dass ich viel gekürzt habe und noch mehr ausgelassen habe, aber ich denke dieser Artikel war lang und informativ genug. Ich hoffe, dass der nächste Artikel dieses mal nicht so lange auf sich warten lässt...
Alles in allem kann man sagen, dass diese
ersten drei Monate (1/4 meiner Zeit hier..wau wie schnell das geht!) die
ereignisreichsten und
interessantesten Monate in meinem bisherigen Leben waren und dass es mir hier in Kolumbien
gut geht, und was will man denn mehr?
Ach ja: Ihr könnt auch gerne
Kommentare abgeben, damit ich weiß ob überhaupt irgendjemand das hier alles ließt….