Hallo ihr lieben und treuen Leser,
ich hoffe ihr gewöhnt euch langsam an die Tatsache, dass bei euch der Sommer vorbei ist. Ich sitzt hier übrigens im T-Shirt, kurzer Hose und spiele mit dem Gedanken gleich kalt duschen zu gehen.
Bevor ich mit meinem Artikel richtig loslege, eine kleine Anmerkung: Mein „D“ von meiner Tastatur ist kaputt und hängt halb raus. In Deutschland kein Problem, da ich noch Garantie auf meinen Laptop habe, aber hier habe ich leider noch keinen Mediamarkt gesehen…mal schaun was ich da machen werde. Also bitte nicht wundern, wenn in manchen Worten das „D“ fehlt.
Ich fange jetzt hier langsam aber sicher an zu „arbeiten“ und werde immer mehr in die Aufgaben mit einbezogen (auch wenn es sich immer noch sehr in Grenzen hält). Zum Beispiel, hatte ich meine erste Gruppenstunde. Eigentlich würde ich von mir behaupten, dass ich ganz gute Erfahrungen in Gruppenstunden habe, da ich ca. zwei Jahren in Walheim eine Kindergruppe geleitet habe. Aber hier ist das alles etwas anders. In Deutschland waren die Gruppenstunden hauptsächlich zum Spaß und zum Zeitvertreib gedacht, doch hier beschäftigt sich man in den Gruppenstunden, mit Militarismus, schweren sozialen Problemen wie Gewalt oder Armut – ein etwas anderes Niveau auf dem hier gespielt wird. In Deutschland waren meine Gruppenkinder im zarten Alter von 10-12 Jahren, was zwar auch nicht gerade einfach, da sich bei ihnen die Pubertät langsam aber sicher bemerkbar machte, aber man hatte immer noch eine gewisse Autorität durch sein Alter. Meine „Gruppenkinder“ sind zwischen 18 und 20 Jahren alt, also teilweise älter als ich – relativ suboptimal! Naja aber eine Autorität kann ich im Moment eh noch nicht sein, da ich Gruppenstunden über soziale Probleme oder Militarismus mit meinem Spanisch noch lange nicht alleine leiten kann. Also bin ich im Moment einfach nur Teilnehmer und darf diese wirklich guten und interessanten Stunden miterleben.
Die Menschen hier sind wirklich anders als in Deutschland, oft auf eine positive Weise, aber gelegentlich wünsche ich mir die deutschen Standards schon zurück: Es ist Sonntag 7:00Uhr, ich liege in meinem Bett und schlafe. Da ertönt ein lauter Knall. Ich schrecke auf. Noch ein Knall…wieder…wieder…und wieder. Was ist das? Das Geräusch ist undefinierbar und ich habe das so noch nie gehört. Also stehe ich auf, schaue aus dem Fenster und was ich da sehe, lässt mich an meiner Sehfähigkeit zweifeln. Da steht ein Mann vor meiner Haustür und schlägt mit einer Spitzhacke auf einen großen Busreifen ein, um die Felge rauszubekommen…HALLO?? An sich schon eine ziemlich dumme Aktion, aber das dann auch noch sonntags morgens. In Deutschland wäre der Mann sofort von sämtlichen Nachbarn erschossen worden und die Polizei hätte es als Notwehr eingestuft.
Auch gewisse Dinge haben hier einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Zum Beispiel die Autohupe: in meiner lieben, alten etwas spießigen Heimat, wird die höchstens in Momenten größer Gefahr oder unbezähmbarer Wut eingesetzt und dann kann es sein, dass man ein Bußgeld zahlen muss. Hier aber ist dieses Wunder der Technik ein Multifunktionsmittel: Man hupt wenn man jemanden grüßen will, man hupt wenn man auf eine Kreuzung zu fährt, damit man auch bloß nicht bremsen muss. Die Fahrer hupen wenn sie im Stau stehen, aber nicht um ihre Wut raus zu lassen, sondern weil sie ja gerade nichts anderes zu tun haben. Wenn man an einer Ampel wartet und es wird grün, fangen direkt alle an zu hupen, weil der Fahrer vor einem, hat das grüne Licht sicher nicht gesehen. Ich glaube sogar, dass der, der vorne als erster vor der Ampel wartet, auch hupt – einfach aus Prinzip.
Auch das Einkaufsverhalten ist anders. Ich war gestern mit Sandra einkaufen und da hat sich Sandra einen Jogurt aus dem Regal genommen, ihn geöffnet und gegessen. Sofort kam ein Angestellter herangeeilt und reichte ihr einen Löffel – das ist Service! In Deutschland wäre wahrscheinlich das GSG9 angerückt und hätte sie verhaftet. Auch an der Kasse erlebte ich eine Überraschung. Während sich die Kassiererinnen im Lidl oder Aldi verhalten als hätten sie einen epileptischen Anfall und die Waren unkontrolliert und in Lichtgeschwindigkeit über den Scanner werfen, ließ sich die Frau hinter der kolumbainischen Kasse schön viel Zeit und machte nach jedem Produkt eine kleine Verschnaufpause. In der Zeit, in der gestern unser Einkauf abkassiert wurde, wäre die Kassiererin in Deutschland schon 5 Mal von ihrem Chef, der sie die ganze Zeit hinter dem Einwegspiegel beobachtet, gefeuert worden.
Noch eine Neuigkeit: ICH BIN WIEDER UMGEZOGEN - zwei Stockwerke höher. Sandra zeigte mir die Wohnung und ich gab mein „OK“ für den Umzug, da ich nun ein größeres Zimmer mit Blick über die ganze Stadt habe (siehe Foto). Ich fragte, wann wir denn umziehen würden. Die Antwort lautete "Ahora."...dazu muss ich erst was erklären: "Ahora" ist das unlogischste Wort im Spanischen: es bedeutet "jetzt" aber es kann auch "später" bedeuten...HALLO?!?! Das ist doch total BALLA BALLA!! Naja aber ich dachte in diesem Fall wäre die Übersetzung klar und wir würden erst die nächsten Tage umziehen, da fängt Sandra an wie wild ihre Sachen zu packen und hoch zu schleppen - eine Frau der Tat!
Naja, als wir dann alles in der anderen Wohnung hatte (nach ca. 1 ½ Tagen), waren Sandra und ich bei den Nachbarn um KURZ etwas zu holen, da - BOOMMM - ist die Tür von unserer Wohnung ins Schloss gefallen.
Anziehsachen, Handy, Geld, Papiere, Laptop, Deo, Essen und vor allem die Schlüssen in der Wohnung. DUMME SACHE!! Wir hatten ein kleines Problem: ich trug eine Schwimmhose und mein Schlaf-T-Shrit und Sandra war auch noch im Pyjama...und wir kamen nicht an unsere Anziehsachen, oder an sonst irgendwas.
In solchen Situationen beweisen sich dann gute Nachbarn: als klar wurde, dass der Schlüsseldienst erst am Nachmittag kommen würde, bekamen wir eine Dusche und Anziehsachen....ich bekam zum Beispiel ein knalliges rotes Poloshirt (genau meine Farbe...passt wunderbar zu meinen Haaren und meinen roten Bäckchen) und eine "etwas" zu weite Hose. Zu allem Überfluss hatte ich am Nachmittag Tanzunterricht (der wird hier im RED angeboten) und eine runterrutschende Hose hat beim tanzen bisher selten geholfen ^^ so eine Schei… nein, böses Wort… Mierda – das versteht keiner =P
So jetzt noch ein paar andere Erlebnisse meiner letzten zwei Wochen im „NewsFlash“, sonst wirds wieder zu lang:
NEWSFLASH (...ich war wirklich zu lange dem schlechten deutschen Fernsehprogramm ausgeliefert – hier habe ich keinen Fernseher, was mich, zu meiner Überraschung, überhaupt nicht stört):
1. Killerwochenende: An dem ich eine 9 Stunden Reunìon (Besprechung/Treffen) im RED hatte, bei dem es um die Formulierungen in einem Dokument ging, wie sich das RED definiert. An sich eine wichtige Sache, aber für mich viel zu schwer und dementsprechend langweilig (aber ich habe die Zeit genutzt und mir das erste Mal in meinem Leben die Finger maniküren lassen – für 1.50€) Danach bin ich zu einer Geburtstagsparty, die bis 6Uhr morgens ging. Am nächsten Tag hatte ich denn ab 13Uhr meine erste Gruppenstunde die bis 20Uhr ging – ICH WAR HALB TOT!!! Ach was red ich: ICH WAR TOT!
2. Protestaktion vor einer Klinik für Frauen. Das interessante war, dass auf der einen Straßen Seite die Menschen standen, die die Klinik und alle ihre ketzerischen, eingewiesenen Frauen am liebsten wie eine Hexe verbrannt hätten (an dieser Stelle muss ich einräumen, dass ich maßlos übertreibe!!!). Und auf der anderen Seite, die Menschen (die interessanter und (meiner Meinung nach) trauriger Weise Zahlenmäßig weit unterlegen waren), die Abtreibung nicht für eine Todsünde halten und die den Frauen, die Vergewaltigt worden oder gegen ihren Willen schwanger sind, eine Chance bieten wollen, ihr Leben so zu leben wie sie es für richtig halten (tut mir leid, dass ich an dieser Stelle etwas subjektiv schreibe).
3. Vor ca. 5Min habe ich jemanden kennen gelernt, der die Bandmitglieder von Culcha Candela wie Brüder kennt und 4 Jahre mit ihnen durch Deutschland getourt ist….GEIL^^
4. Ich habe die kulturele Seite von Medellin kennen gelernt: ich war mit Mauricio im Theater und mit drei Freunden im Kino (Hangover - selten so gelacht!).
So, das sollte reichen um euch die nächsten zwei Wochen zu beschäftigen, dann kommt langsam der nächste Bericht.
Bis dahin: Macht es gut und rocket Deutschland für mich!
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